Architektur

Interieur als Bühne – Wie Streamer und Creator den Designmarkt erweitern

Von der Streaming-Lounge zur Designikone: Immer mehr Content Creator machen ihre Wohnräume zur Kulisse ihrer Marke – und damit zur Verkaufsfläche für Möbel, Leuchten und Ästhetik. Der Trend zur „shoppable Umgebung“ verändert nicht nur das Verhältnis zwischen Zuschauer und Raum, sondern auch das Geschäft mit Interior Design.

Die neue Sichtbarkeit des Privaten

Was früher dem Showroom oder der Architekturzeitschrift vorbehalten war, geschieht heute live: Millionen Menschen schauen täglich dabei zu, wie Streamer, YouTuber oder TikToker in ihren Schlafzimmern, Studios oder Wohnzimmern Inhalte produzieren – und dabei ganz nebenbei Einrichtungstrends setzen.

Anders als klassische Werbung wirken diese Räume authentisch, kuratiert und nahbar. Das schafft Vertrauen – und Kaufimpulse. Ein zentrales Element dieser Entwicklung sind sogenannte „Room Setup Tours“. In diesen beliebten YouTube-Formaten führen Streamer ihre Zuschauer durch ihre Räume und verlinken dabei Möbel, Technik und Deko direkt über Affiliate-Programme.

Erfolgreiche Streamer und Influencer setzen zunehmend auf Raumgestaltung als Teil ihrer visuellen Identität. Emma Chamberlain, deren Haus 2022 von Architectural Digest vorgestellt wurde, beschreibt ihren Einrichtungsstil als „weird and funky and chic“ – und möchte mehr ausgefallene, ungewöhnliche und einzigartige Tapeten in den Wohnungen der Menschen sehen.

Auch Kai Cenat, einer der erfolgreichsten Twitch-Streamer 2025, ist bekannt für sein klares, technikorientiertes Setup, das auf YouTube in mehreren Room-Tour-Videos dokumentiert wurde. LED-Akzente, modulare Lichtlösungen und eine auffällig strukturierte Studioästhetik unterstreichen seinen modernen Stil und dienen als Kulisse für seinen erfolgreichen Entertainment-Content.

Atmosphäre als Markencode

Atmosphäre als Markencode

Räume wirken nicht nur stilprägend, sondern erzählen auch Geschichten – sie transportieren Werte, Kultur und Haltung und spiegeln häufig direkt die Branche oder Community, aus der sie stammen. Atmosphäre wird damit zum narrativen Werkzeug, das Markenidentität und Inhalt visuell verankert.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich das im Bereich der iGaming-Unterhaltung. Die Live-Casinos von international agierenden Anbietern gelten längst als Meisterstück atmosphärischer Inszenierung. Ihre Übertragungen – etwa von Roulette- oder Blackjack-Tischen – finden in Studios statt, die mit opulenten Lichtdesigns, tiefen Farbpaletten und gezieltem Luxusflair ein Erlebnis schaffen, das dem realen Casino kaum nachsteht.

Die Ästhetik ist glamourös, gleichzeitig kontrolliert und seriös – genau abgestimmt auf das, was die Branche vermitteln will: Exklusivität, Spannung und Vertrauen. Das visuelle Umfeld wird so zum Schlüssel für die Nutzerbindung.

Ein völlig anderes, aber ebenso präzise inszeniertes Raumverständnis zeigt sich bei Tech-YouTubern und Gadget-Reviewern. Hier dominiert eine minimalistische, funktionale Gestaltung mit klaren Linien, modularen Lichtlösungen und hochwertigen Materialien. Der typische Technikraum kommuniziert auf den ersten Blick: Hier zählt Effizienz, Innovationskraft und Kontrolle – der Raum selbst wird zur visuellen Fortsetzung der Inhalte.

Und auch im Bereich der Kulinarik zeigt sich die Macht der Atmosphäre. Food-Creator auf TikTok oder YouTube setzen auf offene, helle Küchenräume, oft im skandinavischen oder japanischen Stil gehalten. Viel Holz, pastellige Farben, sanftes Licht und eine zurückhaltende Dekoration vermitteln Wärme, Natürlichkeit und Achtsamkeit.

Damit spiegeln diese Räume genau jene Werte wider, die auch die Inhalte prägen: Gesundheit, Genuss und Nachhaltigkeit – Themen, die in der Wellness-Kulinarik-Community von heute zentral sind.

Raumdesign ist längst kein Nebenschauplatz mehr, sondern ein zentrales Ausdrucksmittel.

Shoppable Design als neuer Standard

Der sichtbarste Wandel findet im Vertrieb statt: Das „Kaufen, was ich sehe“ wird zum Prinzip. Plattformen wie YouTube und TikTok ermöglichen 2025 direkte Produktverlinkung in Videos oder Livestreams, ergänzt durch KI-gestützte Empfehlungssysteme. Zuschauer klicken auf einen Teppich oder eine Schreibtischlampe – und finden sich im digitalen Warenkorb wieder.

Der Raum ist nicht mehr bloßer Hintergrund – er ist Teil des Contents, Teil des Geschäfts und Teil des Selbstbilds. In der Ära von Streaming und digitaler Sichtbarkeit verschmilzt Wohnen mit Markenbildung, und Einrichtung wird zur sozialen Währung. Wer heute mit Stil streamt, beeinflusst morgen, wie Millionen ihre Wohnzimmer gestalten.

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